Wir nähern uns dem Ende dieser „Kurz“geschichte – dies ist der vorletzte Teil:
Plot:
Als die Stewardess Nicole die ältere Dame in der Business Class erblickt, keimt in ihr unwillkürlich die Frage auf, welch ein Schicksalsschlag womöglich dazu geführt haben mochte, dass der elegante und stolze Glanz dieser Frau von so viel Verbitterung überschattet wird…
Mrs. Grudges Herz schlägt für die Mode. Ihr erster umgesetzter Entwurf, ein rotes Abendkleid, schenkt ihr auf dem Abschlussball die Liebe zu Gregor, mit dem sie schon bald zusammenzieht. Doch ihre beiden Leben wollen einfach nicht zusammenpassen. Als Mrs. Grudge feststellt, dass sie schwanger ist, verlässt Gregor sie, ohne zu ahnen, was er hinterlässt.
Mrs. Grudge entscheidet sich für ihre Stoffe und gegen das Kind. Als ihre Schwester ihr erstes Kind bekommt, spürt Mrs. Grudge nur die Leere in ihrem eigenen Herzen, die sie versucht, mit ihren Stoffen und Entwürfen zu füllen.
Unerwartet lernt sie Ludwig, einen der Lehrer, plötzlich näher kennen, als er ihre Kleiderskizzen entdeckt. Ihre Entwürfe und seine Begeisterung dafür bringen ihre Herzen schließlich zusammen. Mit Ludwigs Unterstützung rücken alle Träume, die Mrs. Grudge seit dem Schneidern des roten Kleides hatte, in greifbarer Nähe.
Doch dann stellt das Schicksal sie erneut vor eine dramatische Entscheidung…
Teil XIII
„Sind Sie sicher, dass Sie das tun möchten?“, hatte der Mann im weißen Kittel gefragt. Ihr Kopf hatte genickt. Ihr Herz hatte sich stumm und taub gestellt.
Kurz darauf hatte sie heftige Bauchschmerzen bekommen. Eine Entzündung in der Gebärmutter, hatte der Mann im weißen Kittel gesagt. Not-OP.
„Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass Sie keine Kinder mehr bekommen können.“ Dies war der letzte Satz des Mannes im weißen Kittel gewesen. Dann hatte sie das Krankenhaus als leere Hülle verlassen.
Ihre Schwester hatte ihr ein erstes Babybauchbild geschickt. Mrs. G hatte auf ihren Bauch herab geblickt. Sie sah nur spitze Beckenknochen.
„Nun sind fast alle Kleider fertig“, hatte Ludwig in seiner letzten Unterrichtsstunde verkündet. „Am Donnerstag werden wir einen ersten Probelauf machen. Ich will sehen, wie alles wirkt!“ Nach der Stunde hatte er sie zur Seite gezogen und ihr zugezwinkert: „Ich hoffe, du passt noch in dein rotes Kleid.“
Ja, das tat sie. Und sie würde auch in knapp drei Monaten noch hinein passen. Dafür hatte der Mann in dem weißen Kittel gesorgt. Doch das verriet sie Ludwig nicht. Stattdessen setzte sie sich abends an die Nähmaschine, um das rote Kleid etwas enger zu machen. Es war ihr zu groß geworden.
Mrs. G beschloss, ihrer Schwester endlich von dem Ereignis zu berichten. Aus irgendeinem Grund wünschte sie sich plötzlich Marie an ihrer Seite.
Ihre Schwester wirkte überrascht, als Mrs. G fragte, ob sie auf einen Kaffee vorbeikommen durfte.
„Es wird eine große Modenschau geben“, sagte Mrs. G. „Ich würde mich wirklich sehr freuen, wenn du dabei wärst.“
„Auf jeden Fall!“, rief ihre Schwester erfreut. „Was führt ihr denn vor?“
„Die besten Kleider des Jahrgangs. Eines davon kennst du sogar. Es ist das rote Kleid.“
Marie nahm sie vor Begeisterung in den Arm. „Das ist ja unglaublich! Dieses Kleid hat sozusagen den Grundstein für dein Leben gelegt!“
Wie Recht ihre Schwester hatte, verriet Mrs. Grudge ihr nicht.
„Cabin crew, prepair for landing“, dröhnte die Stimme des Piloten in Nicoles Kopf herein. Sie schrak hoch und begegnete dem überraschten Blick ihrer Kollegin. Eine Windböe, ein Rütteln. Der Flieger hielt weiter Kurs auf die Landebahn. Nicoles Gedanken hielten Kurs auf das Finale von Mrs. Grudge. Sie wollte unbedingt wissen, wohin die Reise mit dem roten Kleid am Ende ging.
Die Modenschau war ein großer Erfolg gewesen. Das Publikum war begeistert. Mrs. Grudge konnte sich vor Anfragen kaum retten. Ihr Kopf konnte kaum greifen, was um sie herum geschah. Doch eins war ihr aufgefallen: Ludwigs Reserviertheit. Und sie hatte es selbst verschuldet. Sie hatte ihn die letzten Wochen unbewusst abgewiesen. Ignoriert. War ihm mit Gereiztheit begegnet. Und sie hatte ihm bis heute nicht verraten, wieso. Nun stand sie ohne ihn zwischen all den Gästen der Abendveranstaltung, das volle Glas Sekt in den Händen haltend. Sie wurde in viele Gespräche verwickelt, die sie von dieser Tatsache ablenkten, doch ein dumpfes Gefühl blieb in der Magengegend. Ihre Schwester hatte sie nach der Show beglückwünscht und ihr ihren Stolz über das Talent ihrer großen Schwester ausgedrückt. Doch dann hatte sie natürlich nach Hause zu Amelie gehen müssen.
Ludwig kreiste immer in einer anderen Saalecke, schien den Abstand zu genießen. Und er kreiste nicht alleine. Melanie, eine Mitschülerin war immer in seiner Nähe, wenn Mrs. G einen Blick auf Ludwig erhaschte. Sie trug eines ihrer Kleider – Mrs. G erinnerte sich noch an den lauen Abend im Park, als der große Tulpenbaum, unter dem sie mit Ludig gesessen hatte, ihr zu der Idee dieses Kleides verholfen hatte.
Am Ende des Abends kam Ludiwg doch noch auf sie zu. Gratulierte ihr mit Händedruck und Kuss auf die Wange zu ihrem Erfolg. Sagte, dass er von Anfang an ihr großes Talent gesehen hatte. War sich sicher, dass sie ihren Weg in der Modewelt finden würde.
Den Heimweg trat sie alleine an.
Mit einem Ruck setzte das Flugzeug auf, dann setzte der scharfe Bremsvorgang ein. Mrs. Grudges Leben schien auch eine heftige Bremsung erfahren zu haben – um dann wieder in eine neue Richtung weiterzugehen, dachte sich Nicole. Doch diese Richtung verlief wohl ohne Ludwig.