Oh je, dass die Geschichte doch so lang wird, hatte ich nicht erwartet. Hoffentlich komme ich noch zum Ende, bevor der Flieger gelandet ist 🙂
Was bisher geschah:
Mrs. Grudge und das rote Kleid – Teil I
Mrs. Grudge und das rote Kleid – Teil II
Mrs. Grudge und das rote Kleid – Teil III
Mrs. Grudge und das rote Kleid – Teil IV
Mrs. Grudge und das rote Kleid – Teil V
Mrs. G beschloss, den Test zunächst für sich zu behalten und stattdessen den ersten Arztbesuch abzuwarten. Sie wollte erst einmal Klarheit haben, woran sie wirklich war. Ihre aktuell wacklige Beziehungssituation aufgrund von zwei rosa Streifen in Gefahr zu bringen, das war ihr zu heikel.
Die vier Tage bis zum Termin waren die längsten ihres Lebens. Am dritten Abend ging Gregor wortlos aus und kam erst spät in der Nacht wieder. Ihre Gereiztheit sei nicht mehr zu ertragen.
Die Glückwünsche vom Arzt am nächsten Morgen schmiss Mrs. G gleich in die nächste Tonne. Das erste Ultraschallbild jedoch behielt sie zitternd in den Händen. Als Gregor am Abend nach Hause kam, zitterten sie immer noch.
„Wir müssen reden“, sagte Gregor mit ernster Stimme. Ihre Augenbrauen schnellten nach oben.
Zwei Stunden später fiel die Wohnungstür erneut ins Schloss. Die Tritte auf den Treppenstufen verklungen nach einigen Augenblicken. Das laute Pochen von ihrem Pulsschlag in ihren Ohren hielt an.
Er hatte beschlossen zu gehen. Es funktionierte nicht mehr. Ihre Lebensziele waren zu sehr auseinander gedriftet. Auf Arbeit gab es da eine Frau, die würde wahrscheinlich besser zu ihm passen. Er wünschte ihr nur das Beste für ihre Karriere.
Das Ultraschallbild lag noch immer in ihrem Skizzenbuch. Er hatte es nicht zu sehen bekommen.
Mrs. G stand auf, bewegte ihren Körper langsam in ihr Nähzimmer und blieb vor der Puppe mit dem roten Kleid stehen. Eine Weile starrte sie es an. Dann zerrte sie es ruckartig herunter, sodass die Knöpfe am Verschluss abrissen und sich in den Zimmerecken verteilten. Sie schmiss das Kleid auf den Boden, trat mit den Füßen immer und immer wieder danach, nahm es in die Hände und knüllte es zusammen, warf es erneut auf den Boden und schmiss sich schließlich drauf. Ihre Tränen tränkten den zerknitterten Stoff und verliehen dem Kleid einen zweiten Rotton.
Nicole musste sich kurz setzen, als sie mit dem Speisewagen wieder vorne ankam. Ihre Kollegin warf ihr einen eigenartigen Blick zu.
„Alles in Ordnung, Nikki?“
Nicole winkte ab. Am liebsten hätte sie ein Fenster geöffnet, um etwas frische Luft zu bekommen. Ein Schluck eiskaltes Wasser musste ausreichen.
Fortsetzung folgt…