Ich gestehe, dass mir das Genre Kurzgeschichten nicht so liegt. Wer mich kennt, der weiß, dass ich gerne ausschweife, alles tief analysiere, umschreibe, auf keinen Fall etwas auslassen möchte. Vor allem nicht die Gefühle. Doch genau das kommt bei einer Kurzgeschichte i.d.R. sehr kurz – die Kunst ist es, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und es dem Leser zu überlassen, sich vorzustellen, wie es dem Protagonisten gerade wirklich geht…
Doch um sich im Schreiben zu üben, sollte ich wohl auch einmal diesen Pfad betreten – nicht zuletzt kann es mir vielleicht auch dabei helfen, den Blick auf meine Romanschreiberei etwas zu schärfen. Schließlich darf auch da nicht alles zu langatmig werden!
Kürzlich platzte mir auf Arbeit nebenbei diese Idee in den Kopf – und ich habe nun einfach mal einen Schreibversuch gestartet 🙂
Schicksalsflug
Der Flieger war bis auf den letzten Platz besetzt – hauptsächlich von Teilnehmern des Kongresses. Er saß wie auf jedem seiner Flüge in der letzten Reihe am Fenster, denn dort hatte er die meiste Ruhe. Im Hinterkopf vernahm er das Klacken seines Gurtes, als er sich anschnallte, doch seine Gedanken verweilten noch in den letzten Tagen.
Sie hatte so strahlende Augen gehabt, deren Leuchten bis tief in seine Seele gedrungen waren – und dort in der Erinnerung noch immer schimmerten. Nie hätte er gedacht, dass er in seinem Alter noch einmal so sehr von dem klaren Lächeln einer Frau berührt werden würde.
Doch es war aussichtslos gewesen. Sie war gefesselt an ihre Heimat.
Die Purserin sprach ihre Grußformel, anschließend vollführten die Damen ihren fest einstudierten Tanz. Sein Blick verweilte im Fenster, auf dem Flieger, der neben dem ihren stand. Geistesabwesend beobachtete er das Bodenpersonal, wie es die schweren Koffer auf die Wagen schmiss.
„Man sieht sich immer zweimal im Leben.“ Mit diesen Worten hatte sie ihn verabschiedet und einen letzten Funken Glaube an das Gute in seinem Herzen hinterlassen. Doch dieses Gefühl der winzigen Hoffnung kam ihm nun – hier, zwischen all den Menschen, die wie er in ihr weit entferntes Heimatland zurückkehrten, in diesem großen Flugzeug, das ihn wie ein großer Wal geschluckt hatte – so lächerlich vor.
„Boarding completed.“
Die Triebwerke brummten, das Flugzeug rollte los Richtung Startbahn. Ohne Verzögerung hoben sie ab.
Sein Traum von einem neuen Leben verschwand unter den Wolken.
Er lehnte sich zurück, schloss die Augen. Versuchte zu vergessen. Die Gespräche der anderen Passagiere verschwammen zu einem Brummen. Das Geklapper von den Servierwagen klingelte nur noch ganz hinten in seinem Kopf, während sein müder Geist allmählich in die Trägheit abdriftete.
„Werte Fluggäste, ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit“, ertönte die charmante Stimme der Purserin, doch nun klang sie angespannt. Er schlug die müden Augen wieder auf.
„Einer unserer Passagiere benötigt medizinische Hilfe. Es handelt sich um einen Schwächeanfall. Befindet sich zufälligerweise ein Arzt unter Ihnen? Wenn ja, wären wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich schnellstmöglich bei uns melden würden. Sollte sich der Zustand unseres Passagieres nicht bessern, sind wir leider gezwungen, wieder zum Startflughafen zurückzukehren.“
Er war auf einmal wieder hellwach. Seine Gedanken rasten. Schmiedeten in Sekundenschnelle unerwartete Pläne.
Zurück!
Ein Wink des Schicksals!
Was wollte es ihm sagen?
Was sollte er tun?
War dies ein Zeichen, wo er sein wahres Glück finden würde – und eine zweite Chance des Schicksals, um es doch noch zu ergreifen?
Nein, es war ein bitterer Scherz, der ihn nun auf eine markabere Probe stellte.
„Bitte entschuldigen Sie mich“, bat er die beiden Personen neben ihm aufzustehen und ihn durchzulassen. Er trat in den hinteren Bereich des Flugzeugs und sprach die Stewardess an, die dort gerade das Essen vorbereitete.
„Ich bin Arzt.“ Sie blickte ihn erleichtert an.
Er wurde ganz nach vorne geführt. Dort, in der hintersten Reihe der Business Class, lag eine Person unter einer Decke. Er konnte sie nicht erkennen, da die Purserin direkt vor ihr stand und die Person einen Arm auf dem Gesicht liegen hatte.
Die Purserin fasste der Person sanft an die Schulter und hatte ein seltsam wissendes Lächeln auf den Lippen. „Wir haben tatsächlich einen Arzt an Bord.“
Die Person schlug ihre Decke zurück. Er riss die Augen auf.
„Mary!“
Selbstkritisch muss ich sagen, es ist wirklich ein erster Versuch, mal etwas ganz Kurzes zu schreiben. Es hat keiner tiefergehende Bedeutung – vielleicht den inneren Glaube daran, dass das Leben manchmal doch Überraschungen bereit hält 🙂 Es ist sicher ausbaufähig! Aber ich sehe es als guten Übungsstart, um mich im Schreiben zu trainieren 🙂